Dienstag, 27. April 2021

Leiden und leben lassen...

 ...oder: Das letzte Jahr war das Letzte. Und trotzdem!

(Brief an einen Freund)

Lieber Amos, wenn du in London festsitzt und nicht nach Hamburg zurück kannst, geht es dir schlechter als mir. Was hier mit mir passiert ist?


Stichworte: Januar 2020 Schlaganfall mit Hirnbluten. Intensivstation (vor Corona) mit 40 Betten. Da fielen volle Urinflaschen aus den Betten und alles blieb liegen und stank. Sterbende neben mir (4), die 30 Minuten reanimiert wurden. Dann endlich Atmen, aber nach 30 Minuten Hirntod weiter leben? Nach 20 Minuten ein anhaltender Signalton, aber keiner kümmert sich. Tote werden unabgedeckt rausgefahren, damit Patienten nicht geschockt werden. 


Nachts überall Röcheln und Stöhnen und sechs Thai-Schwestern, die sich bis in den Morgen laut lachend unterhalten, Krach ist Thai-Kultur. Ich feuchte Klopapier mit Spucke an und stopfe es mir in die Ohren.

Über mir blicke ich neben der grellen Neonlampe in ein Loch der abgebrochenen Deckenplatte und warte auf das Herausschauen einer Ratte. 

Luck nächtigt draussen auf einer Steinbank, ohne Kissen und Decke. Das riesige, staatliche Hospital kennt keine Nächstenliebe, nur Routine.  Nach zwei Tagen kalter Reispampe und Wasser - Kaffee? was ist das denn? - drohe ich mit einer Brüllattacke und werde auf eigenen Wunsch entlassen und mit einem uralten Sanitätswagen in ein Krankenhaus in unserer Stadt gebracht. Hat das Auto Stoßdämpfer? Eher nicht. Die rumpelnde Fahrt, bei der ich meine Hände unter den Kopf lege, ist ideal für einen Patienten mit Hirnbluten.

Nana-Hospital mit sechs Betten, sauber, hilfsbereite, nachts flüsternde Schwestern. Entlassung. Nach drei Monaten mit Training war ich fit wie früher, machte meine kleinen Reha-Übungen....du verstehst meinen Sarkasmus. 


Bergab geht es natürlich leichter....

....vom Boot eines Freundes aus machte es auch Spaß....

..... und wenn es regnete in der Halle.(:-)))))


......besuchte Tempel und Museen, fotografierte und veröffentlichte. 

Juni zweiter Schlaganfall. Wieder Intensivstation im 6-Bett-Zimmer, nach drei Tagen nach Hause. Wieder Tempelbesuch, Versuch eines ungewöhnlichen Fotos, Balance verloren und Treppensturz, mit den bösen Geistern geprügelt . Das war das Ende meines beweglichen Lebens. 

Ich dachte, mit 80 habe ich die eine Hälfte gut gelebt und der andere Teil wird auch klasse.(hahaha)

Meine liebe Frau hat jetzt sechs Vierbeiner zu versorgen

Ich bin ein Pflegefall. Seit August 2020 nicht mehr draußen, selten von der oberen Etage mit fremder Hilfe in die untere Etage zu Hunden, Besuchern, Büchern und Musik.  Mein liebe Frau hat jetzt sechs Vierbeiner zu versorgen. 

Aber ich jammere nicht wie die anderen, die auf sehr hohem Niveau klagen: Ich bin auf neue Art kreativ, zeichne und schreibe und habe eine Neigung zu Nonsens entdeckt. Das macht mir und einigen Facebook- Lesern Spaß. 



Ja, es gibt viele Scheintote, die den Humor verloren haben. Und die im Luxus Stöhnenden sollten mal drei Tage in einem Hospital verbringen, das an Feldlazarette erinnert. Die sollten sich mal umschauen und wirklich Leidende sehen, sich aus dem Jammersessel erheben und genau hinschauen, vielleicht sogar Sam auf Ko Samui helfen, Not zu lindern.


Was du mir wünschen kannst? Dass ich mein Buch  - einen religiösen Politthriller,  was es eigentlich gar nicht gibt - zu Ende bringe und danach nicht in ein Loch falle. Ob das jemand liest ist mir zur Zeit wurscht. Das Schreiben und Fantasieren ist für mich die beste Medizin. Ich mache fast nichts mehr über Politik und Pandemie. "Der Worte sind genug gewechselt."

Dir wünsche ich Gesundheit und die Kraft, den zunehmenden Antisemitismus zu ertragen.


Dein Manfred

28.4.2021


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